Warum bei der Überwinterung im Kühlschrank ein gefährliches Barotrauma droht.
Einige Halter werden sich die Frage stellen, ob sie eine Überwinterungsgrube für ihre Schildkröten anlegen sollen oder sich doch für eine Kühlschranküberwinterung entscheiden sollen. Ich kann beide Lager gut verstehen und will hier auch niemanden die Entscheidung abnehmen. Mein Name ist Klaus Kreyerhoff und ich möchte an dieser Stelle einen wichtigen Punkt bei der Überwinterung von Landschildkröten im Kühlschrank ansprechen. Die Überwinterung im Kühlschrank wurde eingeführt, weil sie gegenüber einer Grubenüberwinterung so viel mehr an Kontrolle ermöglicht. Tür auf, Tier raus - noch lebendig? Ja okay, noch schnell Gewichtsverlust prüfen - Tier zurück und Tür zu. Ach so ein Mist, Feuchtigkeit vergessen zu überprüfen. Nochmal Tür auf, prüfen und na klar, zu trocken! Tür zu und loslaufen um eine Sprühflasche mit Wasser zu holen. Tür auf, Substrat anfeuchten und Tür zu. War die Temperatur in Ordnung? Lieber noch einmal nachsehen. Tür auf, Tür zu, alles gut. Papa, hast du gerade die Schildkröten gewogen? Ich will sie auch einmal sehen! Tür auf, Schildkröte raus, kurz zeigen und zurück in die Kiste. Tür zu...
So ist es doch oder? Und trotzdem war die Kühlschranküberwinterung bis vor einigen Jahren absolut zuverlässig.
Bis die Sterberate aus unbekannten Gründen stieg.
...doch was hatte sich gegenüber Früher verändert?
Ich war zur Auswinterungszeit in einer Überwinterungsgruppe auf Facebook und habe das Geheule regelmäßig mit ansehen müssen. Bilder von toten Tieren mit austretenden Flüssigkeiten aus Nase und Mund. Niemand in der Gruppe vermochte zu sagen, woran es lag. Ich fragte, ob die Kühlschrankdichtung eingeschnitten wurde oder auf anderem Wege ein Druckausgleich stattfinden könne. Was will denn dieser Grünschnabel jetzt von uns! So kam es mir gefühlt von der anderen Seite entgegen. Dichtung einschneiden? "Ja" sagte ich: "Moderne Kühlschränke sind gegenüber den Älteren, die noch über einen Kondenswasserablauf nach Außen verfügten, vollkommen luftdicht". Beim Betätigen der Tür entsteht daher ein gefährlicher Druckunterschied! Besonders beim wiederholten Öffen innerhalb kurzer Zeit entsteht ein starker Unterdruck. Aber auch Kühlschränke mit Kondenswasserablauf können einen Unterdruck aufbauen, sobald dieser Ablauf durch Verschmutzung verstopft ist. Nachdem mein Vorschlag aber tendenziell eher belächelt wurde und die Diskussionnen, wie so oft in solchen Gruppen, ein gewisses Niveau erreichten, verließ ich die Gruppe weil sie für mich in dieser Form keine Bereicherung mehr darstellte.
Weiß der Geier, warum eine kostenlose und gut gemeinte Abhilfe, in einer gebeutelten Zielgruppe, auf so taube Ohren und Ablehnung stieß.
Nur zwei Leserinnen glaubten an meiner Theorie und schrieben mich privat an. An dieser Stelle möchte ich mich besonders bei Ines Kosin bedanken, weil insbesondere ihr Interresse zum Thema mich zum Weitermachen bewegte.
Neu motiviert, versuchte ich also meine Annahme zu untermauern.
Die Ergebnisse möchte ich nun auf diesem Wege bekannt geben.
Das Verhalten einer Kühlschrankdichtung.
Dieses Video zeigt was passiert, wenn eine Kühlschranktür geöffnet wird. - - Bitte Ton einschalten.
Man erkennt deutlich, dass sich die Tür 1 cm weit aufziehen lässt, bevor sich die magnetische Türdichtung schlagartig vom Rahmen löst und einem Druckausgleich zustimmt.
Bei den Türmaßen 54 X 75 cm ergibt sich folgende Rechnung:
54 cm x 75 cm x 1 cm = 4050 cm³
Es fehlen also im Moment des Aufspringens über 4 Liter Luft im Kühlschrank.
Meine Theorie:
Der dadurch entstehende Unterdruck wirkt auf den Organismus und führt dort zu Störungen, dessen Auswirkungen bis zum Tode führen können. Solche Ereigisse werden in der Fachwelt als Barotrauma bezeichnet.
Der Verdacht in Zahlen gehüllt.
Nun galt es also einen Beweis mit harten Zahlen zu liefern. Ich stellte dazu ein Barometer in einen handelsüblichen aber dichten und somit betroffenen 140 Liter Kühlschrank und positionierte mein Handy darüber. Ich stellte mein Handy auf Aufnahme. Tür zu, Tür auf, das entstandene Video ausgewertet und "BINGO" das erhoffte Beweisvideo war im Kasten. Auf dem Barometer waren beeindruckende Werte zu sehen. So deutlich hatte ich es gar nicht erwartet. 15 Hektopascal Druckunterschied innerhalb von Sekunden, gleich beim ersten Versuch. Bei- mit Inhalt gefüllten Geräten, noch deutlich darüber, da ja das Verhältnis fehlender Luft zu vorhandener Luft mit dem Füllungsgrad immer schlechter wird. Mit Wasserflaschen vollgestellte Kühlschränke, kommen schnell auf 30-40 hPa. Im Flugverkehr gelten Druckveränderungen in der Kabine von gerade einmal 11 hPa je Minute als noch vertretbar! Ich überlegte, was nun genau mit den Tieren unter solchen Druckveränderungen geschieht und involvierte meinen Tierarzt mit ein. Wir kamen nach reiflicher Überlegung zu dem Ergebnis, dass bei passender Schleimhaut-Besiedelung verkeimtes Sekret durch den Druckunterschied bis weit in die Lunge hinein gedrückt werden könnte, um dort eine tötliche Pneumonie auszulösen. Zusätzlich muss von einer starken Belastung der Blutgefäße in den Lungenbläschen ausgegangen werden. Bedenken hatte ich auch- und noch immer, in den Bereichen Ohrendruck, Augendruck, arterielle Barorezeptoren und ihr Einfluss auf den Blutdruck, feinste Blutgefäße, den so genannten Kapillaren, das Herz sowie alle im Tier vorkommenden Lufteinschlüsse wie Magen, Darm, Nebenhöhlen als auch im Panzer eingeschlossene Luft. Alle genannten Punkte stehen im direkten Verhältnis zum sich schnell ändernden Innendruck im Kühlschrank. Ggf. werde ich noch weitere Untersuchungen in diesen Feldern anstreben. Barotrauma kommen in der vom Menschen veränderten Tierwelt übrigens nicht so selten vor. Wer sich dafür interessiert sollte in einer Suchmaschine Suchbegriffe wie "Fledermaus + Windkraft" und "Krötenwanderung + Prof. Dietrich Hummel + NABU" verwenden. In den Artikeln dort sterben die entsprechenden Tiere nur durch den schnellen Druckwechsel ohne jegliche Berührung mit einem Auto oder Windflügel.
Die Kühlschranktür als tödliche pneumatische Pumpe?
Nun hatte ich eine weitere Theorie zu belegen. Aber wie sollte ich beweisen, dass das Öffnen und Schließen einer Kühlschranktür und die daraus resultierenden Druckunterschiede, verkeimtes Sekret in die Lunge starrender Schildkröten pumpen kann?
Auf meiner praxisorientierten Art, baute ich zunächst einmal die Atemorgane einer Schildkröte nach. Ein Blasebalg einer Pipette wurde mit einem, mit Flüssigkeit gefüllten Röhrchen versehen. Der Blasebalg verkörpert dabei die Lunge und das wassergefüllte Röhrchen, die mit Sekret behaftete Luftröhre. Würde meine Theorie stimmen, wäre beim Betätigen der Kühlschranktür eine Bewegung der Flüssigkeit bis tief in die Lunge hinein zu beobachten.
Also fand das Schildkrötenmodell seinen Weg in den Kühlschrank- ...und mein Handy auch. Tür zu, Tür auf und wieder das Video ausgewertet. Nun ja, was soll ich sagen? Die Aufnahme belegte tatsächlich unsere Annahme. Der Transport der verkeimten Flüssigkeit bis weit in die Lunge hinein, war deutlich zu erkennen.
Dadurch, dass Schildkröten über kein Zwerchfell verfügen, können sie die so eingebrachten Keime nicht abhusten. Infektionsbedingt kommt es dann zu einer Ansammlung von Flüssigkeit in der Lunge, die ebenfalls durch weiteres Betätigen der Kühlschranktür verteilt wird. Normalerweise würde sich bei einer Flüssigkeitsansammlung die Atemfrequenz erhöhen. Dieses kollidiert aber mit dem Umstand der vorliegenden Starre. Die Tiere sterben einen langsamen Erstickungstod oder an der Entzündung selber.
Dabei ist die Abhilfe so leicht!
Ein einfaches Kunststoffröhrchen zwischen Kühlschrankrahmen und Dichtung geklebt, sorgt für den notwendigen Druckausgleich. Beim Betätigen der Kühlschranktür kann an dieser Stelle der so wichtige Luftaustausch erfolgen. Damit der Kühlschrank über das angebrachte Röhrchen keine kalte Luft verliert und dadurch zum stromfressenden Dauerläufer wird, ist das Röhrchen an der höchsten Stelle anzubringen. Nur so bleibt die schwere kalte Luft im Inneren erhalten und kann nicht austreten. Im Video kann man schon am Geräusch erkennen, wie leicht sich nach dem Anbringen des Röhrchens die Kühlschranktür plötzlich öffnen lässt.
...und wie geht es jetzt weiter?
Zur Überwinterung im Kühlschrank selber, möchte ich eigentlich nicht so viel zu sagen. Solange sich die Tiere in einem ausreichend großen Behälter mit feuchter
kalkreicher Erde und ggf. Eichenlaub (Siehe Extrabericht über Substrate) befinden, in dem sie sich vernünftig drehen und auch noch leicht vergraben können sowie das Ganze bei Temperaturen um 5°C stattfindet, ist das Meiste auch schon angesprochen. Beim ersten Mal ist es oft so, dass nicht der Mensch die Tiere durch die Starre begleitet, sondern die Tiere den Menschen. Da darf man sich ruhig ein Stück fallen lassen. Bei der Grubenüberwinterung ist auch kein Eingreifen möglich und es funktioniert trotzdem.
Hier geht es zum Album weiterer Bilder und Videos zum Thema Unterdruck im Kühlschrank
Ich hoffe dieser Beitrag hat ein wenig zur Aufklärung beigetragen und nimmt auch ein wenig die Angst bei den Anfängern unter Euch.
Bitte bleibt neugierig
Klaus Kreyerhoff
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